Logenplatz auf Sylt

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit sind die Brüder der Sylter Loge „Frisia zur Nordwacht“ umgezogen. Nachdem sie 55 Jahre an zentralem Ort, in der Strandstraße von Westerland im ehemaligen Astoria beheimatet waren, sind Tempel und Versammlungsräume nun in Tinnum zu finden. Wer sich auf Spurensuche begibt und mehr über die Geschichte der Loge erfahren möchte, wird erstaunt feststellen, dass genau vor 100 Jahren, im Oktober 1915, die erste freimaurerische Vereinigung auf Sylt gegründet wird. Zuvor hatten sich schon, seit Ende des 19. Jahrhunderts, regelmäßig Brüder anderer Logen, die als Badegäste auf die Insel kamen, in Westerland getroffen. Vier Jahre später, 1919 nach Kriegsende, wird die ursprüngliche, sogenannte „Feldloge“ zu einer Friedensloge, das eigentliche Gründungsjahr der „Frisia zur Nordwacht“.

Längst ist die Geschichte, der kaum in der Öffentlichkeit auftretenden Logenbrüder eng mit der Sylter Geschichte und Ihren Protagonisten verwoben. Zu den ersten „Brüdern“, wie man sich in den Logen bezeichnet, zählen u.a. Heinrich Hamelau, Carl Baumann und Dr. Paul Nicolas. Hamelau hatte 1919 das Hotel Stadt Hamburg erworben und Carl Baumann betrieb das Hotel Victoria und die legendäre Baumannshöhle in der heutigen Paulstraße, wo u.a. Marlene Dietrich Stammgast war. Dr. Nicolas hingegen war der letzte Sylter Landschaftsarzt und arbeitete zugleich als Badearzt in Westerland, nach ihm wurde jene Straße benannt, die an der Sylter Welle vorbeiführt. Er war es auch, der 1915 als erster Vorsitzender der Freimaurerischen Vereinigung von Sylt gewählt wird. Nicolas war ausgesprochen rührig und gehörte u.a. zu dem Komitee, das sich für die Büste von Postminister Heinrich von Stephan – ebenfalls ein Logenbruder – einsetzt, die heute noch vis à vis der alten Post steht.

Zu den erste Mitgliedern der Loge gehört auch der Sylter Lorenz Lassen, ein Enkel der legendären Merret Lassen, die als Mutter von 21 (!) Kindern aus dem kollektiven Erinnerungsvermögen de Sylter nicht mehr wegzudenken ist. Zumal fast jeder „echte“ Sylter, irgendwie mit ihr verwandt ist…. Im Jahre 1919 erwerben die Logenbrüder das „Haus Seeschwalbe“, um Tempel und Versammlungsräume einzurichten. Als „Haus Nordwacht“ wird es bis zur Inflationszeit 1928 in Besitz der Loge bleiben. Zu dieser Zeit wird Georg Busse Logenmeister. Er ist der Betreiber des Hotels Miramar hat aber in früheren Jahren eine Ausbildung zum Kunstmaler erhalten. Durch ihn erhält vermutlich die befreundete Malerin Helene Varges den Auftrag das Wappen der Sylter Loge zu entwerfen, das einen Leuchtturm und eine aufgehende Sonne zeigt. Als in der Inflationszeit Karl Jessen Eigentümer des Hauses Nordwacht wird, können seine Logen-Brüder die Räume weiterhin von ihm pachten. Heute liegt in der Nachbarschaft ein Stolperstein für Karl Jessen, der 1944 nach Neuengamme verschleppt wurde und kurz vor Kriegsende auf dem Schiff Kap Arcona umkommt.

Auch die Loge kommt nach der Machtergreifung in schwieriges Fahrwasser. Nachdem im August 1935 die Freimaurerei in Deutschland verboten wird, fordert die Gestapo die Auslieferung der Mitgliederverzeichnisse, das Vermögen der Loge wird liquidiert, erst 1952 wird es gelingen, die Ansprüche teilweise wieder geltend zu machen. 10 Jahre später, nach Kriegsende, gibt es auf Sylt nur noch fünf überlebende Brüder auf Sylt, die sich, allen Schwierigkeiten zum Trotz daran machen, die Logenarbeit wieder aufzunehmen. Im Jahre 1948 werden Stiftungsfest und Johannesfest feierlich im Privathaus des Bruders Hans-Werner Jessel begangen. Man ist glücklich über die Spende von fünf Pfund Erbsen und ein paar Rauchwürsten!

Die anschließenden 50er Jahre sind geprägt von Aufbauarbeit, Sanierung des Logenhauses und erfreulichen Mitgliederzuwächsen. In den Sommermonaten werden die Treffen von Logenbrüdern, die als Gäste nach Sylt kommen, bereichert, die Räume im Haus Nordwacht werden langsam zu klein. Deshalb wird beschlossen, wir schreiben das Jahr 1960, neue Örtlichkeiten für die Loge zu finden. Da passt es wunderbar, dass der Betreiber vom „Astoria“ zu den neuen Brüdern gehört. Bis 2015 wird die „Frisia zur Nordwacht“ zentral in der Strandstraße residieren.

Auf der Homepage der Loge darf man heute nachlesen, dass die sogenannte „Frisia“- ein Männerbund ist, „der sich den Idealen von Brüderlichkeit, Toleranz und Gerechtigkeit verschrieben hat“. In dem im Allgemeinen so bezeichneten „Rituellen Arbeiten“ ist dieser Bund bemüht, diesem Ideal näher zu kommen. Hier ist nichts mehr zu spüren von dem verbreiteten Vorurteil der Geheimniskrämerei. Im Kreis von Brüdern aus allen Berufen, vom Arbeiter bis zum Akademiker, wird hauptsächlich das Bemühen um die Entwicklung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit deutlich.“ Und „Die rituellen Arbeiten der „Frisia zur Nordwacht“ finden regelmäßig 1.monatlich an jeden 2.ten Freitag im Monat statt.“

Die öffentliche Präsenz im Internet macht deutlich, dass sich die Loge längst bemüht, stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Sichtbares Zeichen dafür ist der 2009 aufgestellt Findling am Friedhof in Alt Westerland, der an die verstorbenen Logenbrüder erinnern soll und mit einer schweren Kette, die die weltumspannende Bruderkette symbolisieren soll, geschmückt ist. Spaziert man über den nahe gelegenen Friedhof, sind die Gräber der Brüder oft erkennbar, weil Zirkel und Winkelmaß auf den Grabsteinen auf ihre einstige Zugehörigkeit zur Loge hinweisen. Die seit 100 Jahren auf Sylt wirkenden Logenbrüder haben auf Sylt viel Gutes im Stillen bewirkt. Dabei ist ein Hauptaugenmerk die Linderung der Armut auf der Insel. Und dies alles unter dem Motto „tu Gutes – ohne darüber zu sprechen“.

Silke v. Bremen
www.guideaufsylt.de

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